Wie eine Leserin beide Ansätze verbindet.
Vergangene Nacht hat meine Blog-Leserin Veronika einen Kommentar geschrieben zum vorherigen Beitrag „Wutausbrüche beim Kleinkind – die Antwort“.
Veronikas Text ist für mich der Brückenschlag zwischen „bedürfnisorientiert“ und „biologisch“. Und damit niemandem dieser Erfahrungsbericht entgeht, setze ich ihn als Beitrag auf den Blog.
Veronikas Kommentar:
„Danke Uta, Rita und allen Kommentatoren für die Gedankenanschubser!
Ich möchte gerne mein Erfahrung sowohl mit bedürfnisorientiertem Ansatz als auch mit dem von Rita Messmer teilen.
Wir haben zwei Kinder (fünfeinhalb und eineinhalb) und unser erstes Kind sehr bedürfnisorientiert aufwachsen lassen. Vor einem halben Jahr habe ich die Bücher von Rita Messmer entdeckt und darin eine Erklärung und Lösung für viele der Probleme, die sich in unserem Familienleben eingeschlichen haben.
Ich hatte vor der Geburt meines ersten Kindes überhaupt keinen Kontakt zu Kindern, abgesehen von unrealistischen Darstellungen in Film und Fernsehen. Ich habe daher extrem viel gelesen, weil mir die Intuition (= internalisierte Erfahrung) fehlte. Die Bedürfnisorientierung und Auseinandersetzung mit Emotionen war für mich ein großes Aha-Erlebnis und ein Schlüssel zum positiven Umgang miteinander. Durch die Kinder und die Beschäftigung mit diesem Ansatz habe ich auch mich selbst und meine Gefühle erst wahrnehmen gelernt.
Andererseits war die Zeit mit unserem ersten Kind oft sehr anstrengend. Arbeiten neben dem Kind, Museumsbesuch oder auch nur Kaffeehausbesuch extrem schwierig. Bei Liedloff habe ich vor kurzem den Satz gelesen: „Die Logik der Natur verbietet den Glauben an die Evolution einer Spezies, für die es charakteristisch ist, ihre Eltern millionenfach zur Raserei zu treiben.“ Das hat mich schon stark schmunzeln lassen. Denn einfach ist unser Sohn wirklich nicht.
Als ich dann durch Uta vor einem halben Jahr auf die Bücher von Rita Messmer gestoßen bin, hat sich für mich so vieles geklärt. Bei beiden Kindern setze ich seitdem auf eine Kombination beider Ansätze und erlebe jetzt meine Kinder viel ausgeglichener und das Familienleben viel weniger aufreibend.
Ich denke, dass der bedürfnisorientierte Ansatz sehr gut funkioniert, wenn man mit seinen eigenen Bedürfnissen in gutem Kontakt ist und auch ein gutes Gespür für ALLE Bedürfnisse der Kinder hat, auch für nicht so unmittelbare wie das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit, Selbstregulation.
Bei mir war beides nicht gegeben. Ich bin aufgewachsen mit einer sehr liebevollen, sich aufopfernden Mutter. Dieses Ideal der sich aufopfernden Mutter erlebe ich in unserer Gesellschaft immer noch als sehr präsent („Ich tue alles für meine Kinder.“ Meine Kinder kommen immer an erster Stelle“, …) Man kann in Wahrheit aber nicht gleichzeitig bedürfnisorientiert erziehen und die Opferrolle einnehmen.
Ich hatte immer sehr viel Geduld und Mitgefühl mit meinem Sohn und habe meine eigenen Bedürfnisse immer so lange wie möglich hinten angestellt. Mir war das als Problem auch zum Teil bewusst, ich fand es aber schwer, daran etwas zu ändern, ist das doch ein über Jahre antrainiertes Muster. Durch Rita Messmers Buch habe ich ein paar einfache Grundgedanken für mich übernommen („Das Kind folgt dem Erwachsenen, nicht umgekehrt“, „Mehr Taten weniger Worte“) die mir sehr weiterhelfen. Kombiniert mit dem Montessori-Gedanken „Hilf mir, es selbst zu tun“, trete ich jetzt für meine Bedürfnisse viel bewusster ein, übernehme ohne schlechtes Gewissen die Führung und versuche, weniger an meinen Kindern zu ändern, als ihnen Routinen, eine vorbereitete Umgebung zu schaffen, in denen sich ein entspanntes Familienleben als Konsequenz von selbst ergibt.
Es ist ‚work in progress‘, und ich probiere immer wieder aus, falle in alte Muster und versuche es erneut. Aber der Trend ist positiv ?. Beide Ansätze haben mein Leben sehr bereichert, der bedürfnisorientierte Ansatz hat es tief verbunden gemacht, der von Rita Messmer hat Leichtigkeit und Einfachheit hineingebracht.“
LG Veronika
Ich hatte mir schon den Kopf zerbrochen, wie ich noch etwas Hilfreiches schreiben könnte, habe gestern in Büchern über Bindungsforschung und das Erlangen psychischer Stabilität gesucht, und dann kommt über Nacht dieser Kommentar: Feldforschung aus dem Leben mit zwei Kindern im Alter der wichtigen Prägung.
Danke, Veronika, dass du deine Praxis und die Gedanken dazu mit uns allen teilst! Und Dank auch an all die anderen Kommentatoren. Der Blog als Quelle von Schwarm-Intelligenz!
Immer fröhlich auf die Klugheit anderer Menschen vertrauen und nie zu sehr an nur einem Ansatz kleben;-),
eure Uta
PS: Das Titelbild ist von Ketut Subiyanto von Pexels. Vielen Dank!