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Channel: Kita – Wer ist eigentlich dran mit Katzenklo
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Kurz vor Beamen

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Warum es wichtig ist, Bedürfnisse auch mal aufzuschieben.

Jetzt ist mir zweimal in kürzester Zeit der Gedanke begegnet, dass man lernen muss, Frust auszuhalten.
Sally, der junge Hund meiner Cousine, muss das. Also steht meine Cousine mit ihm an der Hundewiese. Sally angeleint, meine Cousine angewurzelt. Und auf der Wiese im Sonneschein toben die anderen Welpen aus der Hundeschule. Lefzen und Ohren fliegen. Blätter wirbeln. Aber meine Cousine und ihr Hund stehen am Rand wie erstarrte Linienrichter und halten Frust aus. Das hat ihnen die Hundetrainerin verordnet. Sally ist zu ungestüm und muss lernen, dass es im Hundeleben nicht alles immer sofort gibt.
Jetzt kommen wir zu einem Thema, das auf dem ersten Blick nichts damit zu tun hat: Was sind die Voraussetzungen für einen guten Schulstart? Ich meine Menschen-Schule, iMännchen und iWeibchen, Lesen, Schreiben und Rechnen lernen und vieles mehr.
Um diesen Post auf grundsolide Füße zu stellen, habe ich vor Wochen die bloggende Grundschullehrerin Frau Weh zu dem Thema befragt. Sie ist in mehrfacher Hinsicht Expertin für dieses Thema: sie hat selbst ein Vorschulkind und eine eigene zweite Klasse und sie ist an ihrer Schule mit für den Einschulungstest zuständig.
In ihrer Mail an den Katzenklo-Blog hat mich besonders folgender Aspekt beeindruckt:

„Ein Kind muss auch einmal warten können und sollte sich nicht mehr als Nabel der Welt sehen. Bei mir sitzen 31 Kinder in der Klasse. Die größten Probleme mit dieser Klassenstärke haben ganz klar die Kinder, um die sich in ihrer bisherigen Erfahrung die ganze Welt gedreht hat ;-).“

Siehst du, Sally, du bist nicht die einzige, die lernen muss, Frust auszuhalten!
Für mich ist das ein heikles Thema. Fällt es uns allen nicht schwer, mal zu warten oder Wünsche zurückzustellen bei unserem enormen Lebens- und Bedürfnissbefriedigungstempo heute?
Da summt schon wieder das Smartphone, weil eine Nachricht einging, und ich kann es nicht lassen, schnell zu gucken, worum es da geht. Dabei hatte ich mir selbst verordnet, bis zum Abend nicht mehr online zu sein. So fahrig war ich in letzter Zeit, dass ich mir meine Konzentration nicht immer von neuen Nachrichten zerschießen lassen wollte.
Vielleicht ist es auch deshalb für Kinder heute schwierig, Frust auszuhalten, weil wir in einer Welt leben, in der es alles immer sofort zu geben scheint. Für Kronprinz hatte ich am späten Nachmittag einen Stift mit Gravur im Internet bestellt. Am nächsten Morgen war das Päckchen da. Hallo? Das ist ja kurz vor beamen.
Kinder erleben heute von klein auf, dass ihre Eltern fast jede Tätigkeit unterbrechen, um schnell ihre Nachrichten zu checken.  Sie erfahren, dass ihre Eltern dieses Bedürfnis oft nicht mal für wenige Minuten aufschieben können. Ich kann mich da nicht ausnehmen. Auch mich hat das Nachrichtenfieber voll erwischt. Zwanghaft muss ich gucken, wer hier kommentiert hat, auf welchem Rang mein Buch bei Amazon steht, wer auf Facebook seinen Status verändert hat (Ich meine „Status“, es könnte sein, dass jemand, den ich kenne nicht mehr „in Beziehung“ ist. Das muss ich wissen. Sofort!). Nur gut, dass ich das noch nicht hatte, als meine Kinder klein waren.
Vielleicht ist deshalb die wertvollste Vorbereitung für den Schulstart unserer Kinder, dass sie Eltern erleben,

  • die ihre Bedürfnisse aufschieben können und zum Beispiel ohne Handy mit ihnen Zeit verbringen,
  • die sie mit Frust beschenken (mal einen längeren Fußmarsch mitmachen; warten können, bis sie eine Antwort erhalten; sich nicht bei einem Telefonat von ihnen unterbrechen lassen …)

Schafft ihr Phasen ohne Smartphone oder sonst irgendeiner Verbindung zum Internet? Wenn ja, wie lange? Und was hilft euch, das Bedürfnis online zu sein, aufzuschieben?
Kommen eure Kinder damit klar, nicht immer im Mittelpunkt zu stehen?
Immer fröhlich auch mal in den Flugmodus gehen (beim Handy, meine ich)
Eure Uta

Titelbild von Lukas Kloeppel von Pexels. Herzlichen Dank!


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